München 1972, Olymipische Sommerspiele

[Kurier] Augenzeuge Geiselnahme von München 1972

Lutz Lischka schreibt als teilnehmender Sportler über die Geiselnahme von München am 5. September 1972.
Geiselnahme von München Externer Link, Wikipedia
Veröffentlicht im KURIER, September 2006
Veröffentlicht im KURIER, September 2006

Am frühen Morgen des 5. September 1972 traf ich auf dem Heimweg ins Olympiadorf unseren Teamchef Manfred Penz. Ich hatte am Vortag den größten Erfolg meiner Karriere gefeiert, an ein Schlafen war nicht zu denken gewesen. Was mir Penz erzählte, war so unglaublich, dass ich die Tragweite überhaupt nicht begreifen konnte:

Terroristen hatten das isrealische Haus überfallen. Die Sportler waren Geiseln der Terroristen.

Ich machte mich gleich auf den Weg zum israelischen Haus. Sicherheitskräfte hatten einen Sperrkordon in etwa 60 Meter Abstand errichtet und die daneben liegenden Häuser evakuiert. Alle Fenster des Israel-Hauses waeren geschlossen.

Beim Frühstück in der Mensa erfuhren wir, dass die Wettkämpfe ausgesetzt waren. Niemand wusste, wie es weitergehen sollte. In der Mensa war ein Fernsehschirm angebracht, über den ständig Olympianachrichten durchgegeben wurden. Am Abend wussten wir daher, dass Entführer und Geiseln ausgeflogen werden sollten, der Abtransport zum Flughafen stünde unmittelbar bevor.

Schatten
Der Mensa-Boden war von Glasstreifen durchzogen, so dass man Bewegungen auf der darunter liegenden Straße schattenhaft erkennen konnte. Es waren Schatten von Manschaftsbussen, die sich unter uns aus dem Dorf bewegten. Ich hatte ein total mulmiges Gefühl.

Am nächsten Morgen der totale Schock: Alle Israelis tot. Sportler und Funktionäre wurden ins Olympiastadion abkommandiert. Ein Reporter von ABC-News fragte mich, ob ich der Meinung wäre, dass die Spiele fortgesetzt werden sollten. Ich erwiederte ganz entschieden: “Nein!” Unter diesen Umständen war meiner Meinung an Sportwettkämpfe nicht zu denken.

Das IOC war anderer Ansicht: “The games must go on”, rief IOC Chef Avery Brundage in die Menge der Sportler im Stadion.

Die Spiele gingen weiter. Am letzten Tag rasten die atemberaubenden Leichtathletik-Sprinter durch das Stadion. Die Trauer um den Tod der Sportler konnte sie nicht überspielen.

Einen kleinen Trost gab es beim Abschlussabend in der Gemeinschaftshalle. Die Sportler der verschiedenensten Nationen hatten getanzt, als sie sich mehr und mehr auf den Treppen rund um die Tanzfläche versammelten. Wie auf ein unsichtbares Zeichen sangen wir alle und immer wieder,  begleitet von rythmischen Trommeln auf die Holzzäune, John Lennons “Give peace a chance”. Es waren auch viele Araber dabei.

Lutz Lischka, von 1990 bis 2000 Redakteur des KURIER, erreichte bei den Olympischen Spielen 1972 in München im Judo-Mittelgewicht den 5. Platz.

Freunde fürs Leben

[Bild] Freunde fürs Leben

 

Wenn man im Judo Freunde gewonnen hat, hat man Freunde fürs Leben.

Oben (v.l.): Norbert Herrmann, Trainer der Nationalmannschaft, bei der Peter Seisenbacher seine olympischen Goldmedaillen gewonnen hat, ich;

unten (v.l.): George Kerr, Schöpfer des österreichischen Judowunders (Olympiamedaillen, Weltmeister-, Europameistertitel und Medaillen), und Univ.-Prof.Dr. Gerald Maurer, Vorstand Univ.-Klinik für Innere Medizin II, Leiter der Klinischen Abteilung für Kardiologie im AKH Wien.