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Lutz Lischka als Trainer in London 1978 mit Peter Seisenbacher und George Kerr

Lutz Lischka im Judo

Foto von einem Sommer-Trainingsaufenthalt 1977 oder ’78 in Edinburgh. Der schottische Trainer und unser Langzeitfreund George Kerr bei der Demonstration. Im Hintergrund Bildmitte Peter Seisenbacher, später Doppelolympiasieger.

Hi, ich bin Lutz Lischka, Jahrgang 1944, war in der Ära vor Peter Seisenbacher der erfolgreichste Judoka Österreichs, wurde zwischen 1967 und 1972 fünf Mal Österreichischer Staatsmeister, belegte 1970 in Ostberlin zusammen mit dem österreichischen Team den 3. Platz im Mannschaftswettbewerb und wurde 1972 bei den Olympischen Spielen in München im Mittelgewicht Fünfter.

EM-Dritter Mannschaft

Die Mannschaft 1970 in Ostberlin bestand aus Heinrich Mayerhofer (Leicht), Gerold Jungwirth (Halbmittel), mir (Mittel), Eduard Aellig (Halbschwer) und Erich Butka (Schwer).

Mayerhofer hatte in den ersten Kämpfen wahrscheinlich aus Nervosität einen rabenschwarzen Tag und wurde vor dem Kampf um Platz 3 gegen Polen von Teamchef Manfred Penz gegen einen steirischen Nachwuchskämpfer ausgewechselt. Der Tausch war goldrichtig (vielmehr bronzerichtig), denn der Steirer gewann den ersten Kampf gleich mit Aushebetechnik. Da auch Gerold Jungwirth seinen Kampf gewann, stand es vor meinem Kampf bereits 2:0. Ich konnte meinen polnischen Gegner erst ausheben (Wazaari) und dann festhalten – ausgerechnet in dem Augenblick, in dem Präsident Kucera und Pressereferent Hans Hofstätter vom Flughafen eintrafen. Während sie am Mattenrand schon jubelten, nagelte ich meinen Gegner am Boden an, so dass es 3:0 stand. Die beiden Kämpfe von Aellig und Butka waren unerheblich, wir gewannen 3:2 und wurden Dritter.

Olympische Spiele 1972

Unsere Olympiamannschaft 1972 in München bestand aus Erich Pointner (Leicht), Gerold Jungwirth (Halbmittel), mir (Mittel), Eduard Aellig (Halbschwer), Erich Butka (Schwer) und Johann Pollak (Open). Teamchef war  Manfred Penz.

Im Kampf um den fünften Platz habe ich den schönsten Wurf meiner Karriere geworfen. Mein Gegner war die tschechoslowakische Kampfmaschine Jakl, der mich bei einem Turnier in Leonding schon einmal niedergerackert hatte. Bei einem weiteren Turnier sah ich – und da war es eben wichtig, dass uns Kurt Kucera diese zahlreichen Turniere ermöglichte – wie sich ein Bulgare jedes Mal, wenn Jakl versuchte, mit der linken Hand die Abwehr des Gegners aufzureißen, in einen tiefen Seoingae eindrehte. Jakl machte im Prinzip immer dasselbe: Mit der linken Hand die rechte Hand des Gegners hochreißen und dann in einen linken Osotogari hineinmarschieren. Nun passte dieses Aufreißen zu 100 Prozent in meinen Spezialwurf Taiotoshi rechts. Das hieß: So bald ich spürte, dass er mit der linken Hand hoch- und zurückriss (und dabei seine eigene Verteidigung verlor), drehte ichmich  blitzschnell in meinem Taiotoshi. Das erste Mal nach 13 Sekunden verhinderte er, indem er sich über seinen Kopf auf der Matte abdrehte, einen Ippon. Also nur Wazaari. Das zweite Mal nach 27 Sekunden hatte er keine Chance mehr – Ippon!

Ich war Fünfter. Im Kampf um den Einzug ins Halbfinale verlor ich gegen den späteren japanischen Olympiasieger Sekine nach 4:11 Minuten mit… linkem Osotogari (allerdings ohne Aufreißen).

Zum  Glück waren damals die Judoregeln für den Judoka ausgelegt und nicht für das Publikum. Ich hatte schon den zweiten Kampf gegen den Koreaner Oh verloren – nach heutigen Regeln wäre ich, ohne zwei Kämpfe gewonnen zu haben, gar nicht mehr in die Trostrunde gekommen. (Oh besiegte im Poolfinale Sekine, so dass ich wieder drin war). Auch mit dem Kopf einen Wurf abfangen, ist heute nicht mehr erlaubt (gut, das sehe ich wegen der Sicherheit der Kämpfer ein), also wäre ich zum zweiten Traumwurf gar nicht mehr gekommen. Und außerdem wäre der verdrehte Wurf heute, in einer Zeit, in dem schon (fast) Wazaari gegeben wird, wenn ein Kämpfer mit dem Knie den Boden berührt, schon als Ippon gewertet worden.

Fünf Mal Staatsmeister

Bei den Staatsmeisterschaften hatte ich das “Vergnügen”, wie der damalige Pressereferent Hans Hofstätter feststellte, dass ich von 1969 bis 1972 (vorher war 1967 in Niklasdorf) im Finale immer auf den Lokalmatador traf. In Graz war es Johann Gössler, in Innsbruck Hans Mariacher, in Linz Walter Simmerl und in Salzburg Max Pichl.

Mariacher war zweifellos der schwerste Gegner. Da er mich im Training beim JC Manner einmal bei meinem Spezialwurf, einem indirekten Taiotoshi, fabelhaft gekontert hatte, musste ich im Finale gegen ihn darauf verzichten. So konnte ich nur mit einem Kouchigari, der nach heutigen Wertungen nicht mehr als ein Koka eingebracht hätte, knapp gewinnen.

Gössler unhd Simmerl konnte ich werfen, nachdem ihnen nach ungefähr acht Minuten (damals dauerte das Finale zehn Minuten) die Kondition ausgegangen war. Auf Pichl, stets in der Betreuung seines Freundes Erich Butka, traf ich schon in der Vorrunde. Bei Pichl hatte ich’s schon immer schwer gehabt, sein eisernes Bollwerk zu durchbrechen. Damals sagte mein Freund Kurt Domschitz vom JC Manner, ich sollte es doch einmal mit Uchimata versuchen. Und tatsächlich: Nach einigen Sekunden lag Pichl per Uchimata mit Ippon auf dem Rücken. Nun traf ich im Finale erneut auf ihn (damals konnten sich die Verlierer gegen den Poolsieger noch ins Finale durchkämpfen). Da ich überzeugt war, dass der listige Butka ihn eingehend vorbereitet hatte, Uchimata zu kontern, musste ich im Finale darauf verzichten. Es gelang mir nur, ihn mit Taiotoshi zweimal auf den Boden zu wutzeln, und aus dem Versuch eines anschließenden Festhaltegriffs konnte er sich, da ich nicht ordentlich halten konnte, wieder befreien. Das war zwar ein eindeutiger Sieg, aber hart erkämpft.

Nachwuchstrainer JC Manner

Nach dem Ende der Karriere 1973 betreute ich bis 1980 die Nachwuchsmannschaft des JC Manner, aus dem der spätere Doppel-Olympiasieger Peter Seisenbacher hervorging. Es war eine schöne Aufgabe, die ich total gerne machte, und durch die ich mit dem Judosport noch einige Zeit eng verbunden blieb.

Wir haben uns jeden Sonntag um 7 Uhr früh getroffen und sind gemeinsam in den Wienerwald gegangen, wo wir ein bis eineinhalb Stunden Kondition und Kraft trainiert haben. Wir haben auch gemeinsame Trainingslager in Utrecht und Edinburgh verbracht, von wo das Foto mit George Kerr stammt. Mit allen Abenteuern, die man sich bei einer solchen Reise nicht vorstellen kann. Der zweite Trainer mit uns war Richard Schauer, der auch die Kampfmannschaft vom JC Manner betreute (im Bild Kerr / Lischka in der ersten Reihe ganz links, rechts in der ersten Reihe Masaki).

Auf der Rückreise von Schottland wollten wir z. B. im Dojo meines Freundes Pierre Zenden in Maastricht übernachten. Der wollte uns aber einsperren und keine Schlüssel überlassen. Deshalb sind wir weiter gefahren, bis uns die Müdigkeit übermannt hat und wir auf den Tischen eines Autobahn-Parkplatzes irgendwo in Deutschland schlafen “gegangen” sind. Je zwei haben je eine Stunde Wache gehalten, bis sie von den nächsten abgelöst wurden. Ruhmesblatrt war das zwar nicht gerade, hat uns aber als Mannschaft noch stärker zusammen geschweißt.

Väter meines Erfolgs

Meinen Erfolg verdanke ich ohne Anspruch auf Vollständigkeit folgenden Personen:

  • Fritz Lugstein, der mir als Trainer in der Jugend die Basis des Judosports und vor allem die Genauigkeit bei allen Aktionen beibrachte;
  • Kurt Kucera, der mich als Coach beim Judoklub Manner persönlich betreute und auch streng auf die Einhaltung regelmäßigen Trainings achtete, weiters mit zahlreichen internationalen Wettkämpfen die internationale Reife des Teams ermöglichte. Kucera war auch bemüht, uns im JCManner Tag für Tag schwere Trainingspartner zur Verfügung zu stellen. Zu ihnen gehörte Eduard Aellig, den er aus Salzburg verpflichtete, Gerry Maurer und Norbert Herrmann, die er von Polizei Wien holte;
  • dem Holländer Anton Geesink, der mich vom veralteten Judo in Österreich zum modernen Judo führte ( auch die Verbindung zu „Anton“hatte Kucera hergestellt).
  • sowie Michael Kuhn, der als Leiter der Sportredaktion der “Kronen Zeitung”, meines damaligen Arbeitsgebers, sowohl meine fast allabendlichen Trainings und zahlreichen Turniere gerade an Wochenenden, der hauptsächlichen Arbeitszeit eines Sportredakteurs, tolerierte.
  • Man sagt aber, der Sieg hat viele Väter: Zu diesen Vätern möchte ich auch George Kerr zählen, der mir bei meinen ersten internationalen Schritten im Londoner Renshuden Judo Club sehr half.
  • Und Kisaburo Watanabe, bei dem ich in London zuum ersten Mal Weltklasse direkt auf der Matte erlebte und der Wunsch in mir heranreifte, ebenfalls perfektes technisches Judo zu erlernen.

Tipp

Noch ein Tipp für junge Judoka, die ihren Spezialwurf perfektionieren wollen: Lasst euch etwas einfallen, wie ihn ihr abseits der Matte trainieren könnt. Ein Amerikaner zum Beispiel hat ein Seil an der Anhängerkuppel eines Autos befestigt, es auf einen nicht allzu steilen Berg gestellt und es jedes Mal, wenn er sich mit Seoinage eindrehte, ein Stück den Berg hinaufgezogen. Ich hab einen alten Judogürtel um einen leicht biegsamen Baum in einem kleinen Wald am Bisamerg gebunden und dort jeden Tag im Rahmen des Morgentrainings 100 Eindrehungen gemacht (25mal zur Perfektion, 25mal mit enormen Zug, 25mal mit hoher Geschwindigkeit und 25mal zum Entspannen).  Das Uchikome beim Mattentraining hat den Nachteil, dass der Partner jedes Mal umfällt, wenn man mit voller Kraft und vollem Tempo eindreht, man also keine Rhythmus finden kann.

(Dem Baum am Bisamberg hab ich nach dem 5. Platz in München den 1. Dan verliehen).

Im Herbst 1973 war ich mit großzügiger Unterstützung der Sporthilfe zum ersten Mal in Japan. Im Judotempel Kodokan lud mich ein alter Japaner - gefühlte 80 Jahre - jeden Tag zum Aufwärmtraining: 20mal oder mehr fallen. Durch die perfekte Wurftechnik des Judo-Opas überstand ich die Fallschule mit Freude.

 

 

Nachweise

Platz Land Athlet
1 Japan JPN Shinobu Sekine
2 Südkorea KOR Oh Seung-lip
3 Vereinigtes Königreich GBR Brian Jacks
Frankreich FRA Jean-Paul Coche
5 Sowjetunion URS Guram Gogolauri
Österreich AUT Lutz Lischka
7 BR Deutschland FRG Gerd Egger
Tschechoslowakei TCH Petr Jaekl

Olympische Sommerspiele 1972 – Judo Wikimedia Foundation Inc.